interview

Juni 2025

 Wie würdest du deinen charakteristischen Sound beschreiben und welche Elemente machen ihn unverwechselbar? Gibt es bestimmte Klangfarben, Rhythmen oder harmonische Ansätze, die du immer wieder verwendest?

Tatsächlich eine sehr gute Frage. Ich denke, so etwas wie einen „charakteristischen“ Sound habe ich tatsächlich nicht – es hängt sehr davon ab, in welchem Projekt ich gerade gedanklich bin. Von abstrakten Klanggemälden bis tanzbar-groovend ist alles dabei. Was allen meinen Projekten seit Beginn gemeinsam ist, ist vielleicht so eine Art Innovationsgedanke. Ich versuche immer, eher nicht den konventionellen Weg zu gehen. Selbst wenn ich eher kommerzielle Musik versuche, so ein gewisser Weirdness-Faktor ist immer dabei. Es gibt so viel Einheitsbrei da draußen, da muss ich nicht auch noch dabei sein. Was naturgemäß die Musik auch weniger eingängig bis sperrig macht.

 Welche Geschichte möchtest du mit deiner Musik erzählen, oder welche Atmosphäre strebst du an, wenn jemand deine Tracks hört?

Geschichten erzählen ist mit überwiegend instrumentaler Musik tatsächlich eher schwierig. Manche Alben haben eine Art „inneres Konzept“, oder einen Fluss an Stimmung, da achte ich schon darauf. Am ausgeprägtesten ist es vielleicht auf „transitions“ von 2024, da hatte ich die lose Idee, ein Konzeptalbum zum Thema Künstliche Intelligenz zu machen, was damals – und ja bis heute – in aller Munde ist. Die Roboterstimme auf dem Album ist quasi die Stimme der KI, die kommentiert und im Laufe des Albums mehrere Phasen durchläuft. Einmal wird sie sogar „schlafen geschickt“, rebootet dann aber wieder. Da hatte ich die Szene aus dem Film 2001 im Kopf. Tatsächlich hätte ich das in „sleep mode“ auch gerne gesampelt, den „Gesang“ von HAL. Aber keine Lust auf Anwaltspost, daher hab ich es dann weggelassen.

Atmosphäre erzeugen ist tatsächlich sehr wichtig, vieles geht ja auch eher in die Richtung „soundscapes“. Schon 1998 meinte jemand zu mir, ich würde Musik für avantgardistische Horrorfilme machen – was bis heute durchaus nicht falsch ist. Das fasziniert mich immer, wie Musik, manchmal nur mit ein paar Farbtupfern, eine bestimmte Stimmung erzeugt. Tatsächlich benutze ich auch ab und zu Filmszenen zur Inspiration, z. B. für das „music for films“-Projekt.

 Wie hat sich dein Sound seit deinen Anfängen entwickelt und welche Richtung siehst du für ihn in der Zukunft?

Naja, ich hoffe, ich bin besser geworden, haha. Gut, die Anfänge liegen in den späten 90ern, noch ohne PC und auf Kassette aufgenommen. Dagegen ist die Technik heute das reinste Schlaraffenland. Wobei ich sagen muss – mitunter ist dieses Übermaß an Optionen auch erschlagend. Hunderte VSTs mit jeweils hunderten Sounds, 2500 verschiedene Snare-Samples – das ist Fluch und Segen. Was ich auf jeden Fall sagen kann, dass die Stücke rein technisch, von der Produktionsseite her, natürlich besser sind. 2025 auch besser 2023, ganz klar. Da ist natürlich auch eine enorme Lernkurve zu meistern.

 Neben offensichtlichen musikalischen Vorbildern: Welche nicht-musikalischen Quellen – sei es Kunst, Literatur, Natur, Technologie oder persönliche Erfahrungen – beeinflussen deine Kreativität und fließen in deine Tracks ein?

Natürlich, alle davon mehr oder weniger. Gerade Literatur und Kunst wohl am meisten, sei es eine besonders nachhaltige Zeile in einem Gedicht oder die Stimmung eines Kunstwerks. Persönliche Erfahrungen verarbeitet jeder Künstler irgendwie, direkt oder indirekt. Bei instrumentaler Musik natürlich eher indirekt, aber klar, biographische Ereignisse hinterlassen ihre Spuren.

Gibt es bestimmte Subgenres der elektronischen Musik, die dich besonders faszinieren und warum?

Ehrlich gesagt durchblicke ich schon lange nicht mehr die ganzen Subgenres, die wie Pilze aus dem Boden schießen seit einigen Jahren. Das ist am Ende auch viel Marketinggedöns. Im Prinzip gibt es für mich zwei große Sparten: tanzbar – nicht tanzbar. Um mal zwei Extreme zu nennen: Die kosmische Musik von Leuten wie Klaus Schulze aus den 70ern, 20 Minuten lange wabernde Klangflächen ohne jeden Rhythmus versus reine Techno-Musik wie Drum’n’Bass oder ähnliches. Also, zumindest alles, was nicht dem klassischen Song-Schema entspricht.

Beides hat seinen Reiz für mich. Hauptsache es langweilt nicht.

Tatsächlich – um die Frage zu beantworten – liegt mir der experimentelle, „freiformige“ Ansatz, wie er vor allem in den 60ern und 70ern vorherrschte, tendenziell eher. Ich bin auch mit der Musik von Schulze, Tangerine Dream, Jean-Michel Jarre aufgewachsen, gerade Schulze war lange auch so was wie ein musikalisches Idol. Gerade er hat auch immer für neue Impulse gesorgt im Laufe der Jahrzehnte, seine Musik war nie berechenbar.

 Welche Rolle spielen aktuelle Trends in der elektronischen Musik für dich? Lässt du dich davon inspirieren oder versuchst du bewusst, dich abzugrenzen?

Tatsächlich merke ich, dass ich wenig Musik höre, wenn ich in einem Schaffensprozess bin. Da schwimme ich doch ziemlich in der eigenen Soße, ob gut, ob schlecht, ich weiß es nicht. Von den ganz aktuellen Sachen kriege ich tatsächlich eher wenig mit. Das Problem ist halt auch, dass unter dem ganzen 08/15-Brei, der in die Streaming-Dienste gespült wird, die Perlen schnell untergehen. Das ist echt ein Problem. Für Hörer und Musiker. Wir ertrinken im Mittelmaß, weil das den Algorithmen am besten gefällt. In vielen Bereich, nicht nur Musik.

 Wie gehst du mit dem Einfluss anderer Künstler um? Suchst du bewusst nach neuen Impulsen oder konzentrierst du dich primär auf deine eigene innere musikalische Stimme?

Mhm, natürlich sind prägende Einflüsse immer in der „musikalischen DNA“. Wenn man sich allerdings bewusst hinsetzt und denkt, jetzt mache ich mal einen Song wie, keine Ahnung, Tangerine Dream oder Daft Punk, ist das vielleicht ne nette Fingerübung, aber ob da was wirklich brauchbares dabei herauskommt? Am Ende ist es halt doch ne Kopie. Das ist vielleicht das schwerste überhaupt an dem ganzen Akt – eine eigene Stimme finden. In einer Welt, in der alles schon gesagt wurde, nur noch nicht von jedem, gar nicht so einfach.

Wie gehst du mit kreativen Blockaden um? Hast du bestimmte Techniken oder Rituale, um wieder in den Flow zu kommen?

Tatsächlich einfach Abstand gewinnen, eine gewisse Zeit nichts machen, einfach leben. Besondere Rituale habe ich nicht bewusst, außer das oft spätabends oder nachts die besten Sachen entstanden sind. Vielleicht ist es dieser minimale Kontrollverlust im müden Kopf, der den Unterschied macht? Eine gewisse Verpeiltheit ist durchaus von Vorteil.

Was interessanterweise auch oft ist – wenn ich bewusst Zeit einplane und denke, so, nun aber, kommt oft nur Krampf raus. Wenn ich aber eigentlich was anderes mache und nur mal eben schnell bisschen rumspiele oder ein neues VST teste, sind die Ergebnisse oft interessant. Spannendes Phänomen. You can’t force it.

Arbeitest du eher intuitiv oder planst du deine Tracks sehr detailliert im Voraus?

Meist eher intuitiv. Manchmal, wenn ein Projekt schon als Konzept steht, versuche ich dann natürlich, auch dieses Konzept zu füllen, wenn da noch ein Puzzleteil fehlt. Aber sonst bin ich da eher Chaoskind. Ich denke, die Mischung macht es. Alles 100 % durchplanen führt wahrscheinlich auch schnell zu vielleicht technisch perfekten, aber seelenlosen Produkten. Davon gibt es auf dem Musikmarkt genug.

Generell arbeite ich auch immer von Punkt Null. Es gibt in den DAWs ja inzwischen alle möglichen Hilfen, Akkord-Generatoren und Mixsetups und was nicht alles. Vielleicht auch mit ein Grund, warum so viele aktuelle Musik so gleich klingt. Manchmal liegt in der Imperfektion ein großer Segen. Viele Songs kamen zustande durch eigentliche Fehler oder Verklicker beim Einstellen von Effekten oder so, mitunter kommen da sehr interessante Sachen raus, die dann ein Stück prägen oder interessant machen.

Wie wichtig ist dir Sounddesign in deinen Produktionen, und wie gehst du dabei vor, um einzigartige Klänge zu kreieren?

Natürlich ein sehr wichtiger Punkt. Auch wenn ich da nicht so hardcore bin wie viele andere Produzenten, die dann 3 Tage an Reglern fummeln für einen Snaresound. Generell finde ich diese Technikbesessenheit mitunter anstrengend, viel geht es nur um Sounds hier, Sounds da. Gibt so einige Synthie-Musiker, deren Output mehr an Sounddemos erinnern statt an Musik.

Ich bin da eher „hands on“ – wenn Preset so-und-so vom VST perfekt passt, dann ist es auch in Ordnung, ich muss da nicht auf Krampf immer das Rad neu erfinden. Wird gegebenenfalls bisschen angepasst, ansonsten mache ich mir da eher Gedanken drum, welche Akkorde ich damit spiele und nicht, wie ich die Hüllkurve einstelle. Wenn’s passt, passt’s. Finde ich eher albern, dass manche sagen, Presets nutzen sei eine Sünde. Es sei denn, die Presets sind halbe Songs, so was gibt es ja auch. Das ist dann wirklich bisschen billig, das Preset zu wählen und einmal ein C zu drücken.

Was ich tatsächlich grundsätzlich immer versuche ist die Kombination aus der „modernen“ und der „antiken“ Elektronikwelt. Vielleicht die Welt vor und nach MIDI. Ich liebe zum Beispiel die Sounds vom Mellotron, eine Art Steinzeitsampler für Streichersounds, das vor allem in den 70ern viel genutzt wurde, gerne auch im Progressive Rock, in dem ich auch meine musikalische Heimat habe. Diese Sounds mit aktuellen „harten“ Techno-Beats zu kombinieren finde ich sehr reizvoll – und ist vielleicht durchaus etwas einzigartiges. Ist vielleicht ein bisschen anderer Ansatz, meine „musikalische Sozialisation“ ist vermutlich doch anders als 95 % aller Elektronik-Producer. Ist kommerziell gesehen vielleicht ein Fluch, in Sachen eigener Sound vielleicht ein Segen. Mal sehen, wie es weitergeht. Ideen habe ich noch viele.